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Heute Motorblöcke, morgen E-Transporter: Was Albert Weber vorhat

Eine Unternehmerfamilie am Bodensee wartet sehnsüchtig auf eine Lieferung aus China. Es geht um drei elektrische Transporter, die den Verbrennertechnik-Spezialisten Albert Weber in die Zukunft führen sollen. Über einen ungewöhnlichen Weg der Unternehmenstransformation

Etwa 8.310 Kilometer Luftlinie trennen die ostchinesische Provinz Shandong und Markdorf, eine Kleinstadt im Bodenseekreis. Diese Entfernung liegt zwischen einer Unternehmerfamilie aus Baden-Württemberg, der mehrere mittelständische Autozulieferer gehören, und einem chinesischen Fahrzeughersteller. Sie wollen zusammenarbeiten: Für neue Geschäftsfelder, für neue Märkte. Da ist zum einen die Unternehmerfamilie Albert Weber, denen unter anderem ein gleichnamiger Automobilzulieferer gehört. Die Albert Weber GmbH ist auf Technik für Verbrenner spezialisiert, beispielsweise Zylinderköpfe und Motorblöcke. Überregionale Aufmerksamkeit lenkte die Insolvenz im Jahr 2019 und ein Streit mit einer Investorengruppe auf das Unternehmen. Mittlerweile ist aus Weber Automotive die Albert Weber GmbH geworden und der Zulieferer wieder in ruhigeres Fahrwasser geraten. Nun fokussiert sich die Unternehmerfamilie darauf, unabhängiger von der Verbrennertechnik zu werden. Albert Weber beschäftigt in der Holding 1.000 Mitarbeiter.

Juzhen: Alibaba-Manager gründen Transporterhersteller

Zum anderen ist da der chinesische Hersteller von Elektrotransportern Juzhen. Ein junges Unternehmen, dass sich der boomenden Logistikbranche verschrieben hat und bei dem einige ehemalige Alibaba-Manager angeheuert haben. Juzhen hat ein elektrisches Transportfahrzeug entwickelt, das Chengshi 01 heißt und Berichten zufolge nur 6.000 US-Dollar kostet. Juzhen wollte erst als Entwicklungsdienstleister antreten, bis sich das Unternehmen entschieden hat, selbst in die Fahrzeugproduktion einzusteigen. Um die 100.000 Modelle des Chengshi 01 laufen in einer Fabrik in Shandong jährlich vom Band. Auf Chinas Straßen sind die Fahrzeuge längst unterwegs, in Schanghai testet Juzhen bereits fahrerlose Exemplare. Nun will Juzhen nach Europa – doch alleine wollen die Chinesen den Schritt nicht wagen. Das erzählt Wolf Burger, Professor für den Studiengang Maschinenbau an der dualen Hochschule Baden-Württemberg. Er berät Albert Weber und hat den Deal mit Juzhen maßgeblich eingefädelt.

Albert Weber: Geschäft abseits vom Verbrennungsmotor

Denn natürlich sei das Geschäft mit Verbrennungsmotoren endlich. Der Zulieferer Albert Weber beliefert unter anderem Daimler, Opel, BMW, VW-Marken wie Audi und Porsche und Zulieferer wie Bosch oder ZF. Mit Juzhen als Technologiepartner soll nun der Sprung ins Zeitalter der Elektromobilität gelingen. Denn Juzhen scheue die hohen Anforderungen für Fahrzeuge im europäischen Markt. „Ab Mitte nächsten Jahres sind die Zulassungsbedingungen für Transporter der Klasse N1 ähnlich hoch wie für Pkws“, sagt Burger. Die Chinesen haben deshalb Anfang des Jahres drei ihrer Transporter auf eine Reise Richtung Bodensee geschickt.

Wenn die Mitte Februar in Markdorf eintreffen landen zwei von ihnen im Entwicklungszentrum der Unternehmerfamilie. Gina Weber ist Enkelin des Unternehmensgründers und Gesellschafterin der Weber Holding. „Wir untersuchen die Fahrzeuge dann vor allem hinsichtlich Qualität und wie sie den deutschen und europäischen Anforderungen genügen können“, sagt Weber. Die eigenen Entwickler sollen die Transporter homologieren. Für die Änderungen und die Zulassung rechne man ein gutes halbes Jahr ein.

Erste Firmen aus der Umgebung seien interessiert, die chinesischen Fahrzeuge zu testen. Die Baden-Württemberger sehen eine Nische zwischen den häufig dreirädrigen Lastenfahrrädern und teuren Modellen wie dem E-Sprinter von Mercedes in einem „kompakten und kostengünstigen“ Fahrzeug, wie es Juzhen entwickelt hat. Albert Weber will die umgebauten Modelle später an Kurierdienste oder Handwerksbetriebe verkaufen.

Eine eigene Fahrzeugmarke: „Sicher ein unkonventioneller Weg“

Laut Weber ist man gerade dabei, eine eigene Marke zu entwickeln, unter der das Familienunternehmen die Fahrzeuge dann vertreiben will. „Der Schritt, sich vom Zulieferer zu einem Anbieter von Fahrzeugen zu entwickeln, ist sicher ein unkonventioneller Weg“, sagt Gina Weber. Bis zu 30.000 Fahrzeuge will Albert Weber in den deutschen Markt einführen.

Elektrifizierte Lieferfahrzeuge stehen nicht nur bei Albert Weber auf der Agenda. Viele dürften sich dabei an die Streetscooter-Gründung von Aachener Professoren erinnern – und den großen Flop der Fahrzeuge unter der langjährigen Eigentümerin, der Deutschen Post. Der Bonner Konzern hatte über Jahre versucht, die Sparte loszuwerden. Zum Jahresanfang wurde schließlich bekannt, dass Odin Automotive die Produktionsrechte gekauft hat. Das Luxemburger Unternehmen will zu einem "neuen globalen Marktführer bei der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb“ der elektrischen Leichtfahrzeuge werden.

Auch Unternehmen wie Evum aus München oder Biliti Electric wollen mit leichten, elektrischen Lieferfahrzeugen die Logistik aufmischen. Die Stromer von Evum sind bereits bei Kommunen als Nutzfahrzeuge im Einsatz. Sie spielen allerdings mit Anschaffungskosten ab knapp 36.000 Euro in einer anderen Liga als die Juzhen Fahrzeuge